Büro / Technik
Bild: zvg
20. November 2022

haptik-Interview mit Kim Gunkel, Expertin auf dem Gebiet der Büro-Organisation: «Es braucht Strategien und Struktur»

Eine durchdachte Organisation der Unterlagen und Materialien bringt Vorteile. Man erspart sich Zeit bei der Suche, weist neue Mitarbeitende und Ferienvertretungen schnell ein und hat alle wichtigen Papiere an einem Ort. Dokumente sind sofort ersichtlich und Online-Speicher gewähren von überall den Zugriff. haptik.ch hat sich mit Kim Gunkel unterhalten, einer Expertin auf dem Gebiet der Büro-Organisation.

Frau Gunkel, in Seminaren erläutern Sie Methoden für effiziente Arbeitstechniken und Arbeitsorganisation. Aus welchen Bereichen kommen Ihre Teilnehmenden?

Wir sprechen alle Personen an, die ein Büro zu organisieren haben. Das geht über kaufmännische Sachbearbeiter/innen, Office Manager, Assistenzen und natürlich auch Personen, die selbstständig eine Dienstleistung anbieten und ihr Backoffice selbst organisieren.


Hinsichtlich steigender Informationsverarbeitung hat sich in den letzten Jahren viel geändert. Welches Know-how holen sich die Teilnehmenden bei Ihnen ab, welches ist die Erwartungshaltung?

Nicht nur die Menge an Informationen ist gestiegen, sondern auch die Anzahl Kanäle, wie die Informationen zu uns gelangen können. Der eine schreibt ein E-Mail, die nächste ruft mich an und während ich noch am Telefon bin, erhalte ich Chatnachrichten von meinem Arbeitskollegen. Zu allem Überfluss klebt mir dann der Vorgesetzte noch ein Post-it aufs Pult. Diese Informationsflut gilt es zu bewältigen. Dazu benötigt es Strategien und Struktur – vom Arbeitsplatz bis zum Desktop – damit keine Information verloren geht.


Wie kann ansatzweise eine Verbesserung erzielt werden? Es gibt wohl immer noch vielerorts ein Chaos. Bitte nennen Sie Vorteile, warum dringend dagegen vorgegangen werden sollte.

Für mich fängt Ordnung und Struktur an, wenn der Arbeitsplatz betreten wird. Die wenigsten Menschen finden sich im Chaos zurecht. Es geht darum, sich so zu organisieren, damit man effizient und effektiv arbeiten kann. In der heutigen Arbeitswelt sind keine Ressourcen da, um unnötig Zeit und Geld zu verplempern. Man könnte in einem ersten Schritt damit anfangen, das Büro und den Arbeitstisch aufzuräumen. Alles, was ich zur täglichen Arbeit benötige, muss griffbereit sein. Was ich wöchentlich benötige, räume ich in ein Regal in der Nähe meines Pultes. Was monatlich oder seltener gebraucht wird, darf im Schrank am anderen Ende des Raumes oder noch weiter weg versorgt werden. Auf dem Desktop gilt das Gleiche: Für Dokumente, die täglich gebraucht werden, sollte man sich nicht durch zehn Ordnerschichten durchklicken müssen. Erstellen Sie sich eine eigene, für Ihre Arbeitsweise passende Struktur. Aber Achtung: Kreieren Sie keine Schattenablagen, sondern arbeiten Sie mit Verlinkungen, um nicht doppelte Dokumente anzufertigen.


Wie wird die Ablage organisiert, bei der alles schnell wiedergefunden wird? Wie sollte ein Arbeitsplatz visuell und organisatorisch strukturiert sein? Kommen wir nicht ums papierlose Büro herum, schliesslich bietet der Markt dafür Softwarelösungen an?

Für die Ablage gibt es verschiedene Möglichkeiten. Ich arbeite häufig mit der Suchfunktion oder synchronisiere nur die Ablagen auf meinem Laptop, die ich gerade zum Arbeiten benötige. Vermeiden sollte man auch die Struktur «im Ordner im Ordner im Ordner im Ordner im Ordner». Hierbei verliert man viel Zeit durchs Klicken, und das System sollte so einfach sein, damit die Struktur für alle klar ist. Generell gilt für die Organisation, egal ob digital oder analog, dass Farben zur Orientierung helfen können. Die Tendenz geht nach wie vor in Richtung digital. Es braucht aber noch ein paar Jahre, bis ein papierloses Büro auch aus rechtlichen Gründen durchgehend möglich ist. Zudem sind Menschen Gewohnheitstiere und müssen sich zuerst daran gewöhnen, dass beispielsweise Texte auch digital kontrolliert werden können.


Wahllos eingeheftete Dokumente, verschiedene Ordner für dieselben Belange und der Schreibtisch als ganzheitliches Ablagesystem kommt immer noch vor. Gleichzeitig hört man, dass das Gehirn gewisse Infos auf Papier besser aufnehme. Dies kann verunsichern.

Eine digitale Ablage ergibt vor allem da Sinn, wo Informationen zentral verfügbar sein sollen. Wenn jemand einen Text lieber auf Papier kontrolliert oder seine Notizen lieber in ein Buch verfasst, warum nicht? Jedenfalls solange man sich selbst darin zurechtfindet und niemand darunter «leidet». Ich bin dafür, Papier gezielt einzusetzen. Wenn Papier bedruckt wird, weil man Angst hat, dass die Dokumente digital «verschwinden», ist das für mich der falsche Ansatz. Hier gilt es, das Problem zu lösen – in diesem Fall wäre dies ein professionelles Back-up.


Priorisieren, verkürzen von Zeitfressern. Alles gut und recht. Aber wie erklärt man dies dem Vorgesetzten, der dringend etwas will? Oder: Kaum konzentriert an der Arbeit, klingelt das Telefon.

Auch hier gilt es zu differenzieren: Führungskräfte sind heute daran interessiert, dass Mitarbeitende die grosse Arbeitslast bewältigen können. Wenn man immer wieder gestört wird, gilt es diese Unterbrechungen so gut wie möglich zu minimieren. Hierzu darf man das Gespräch suchen und Regeln aufstellen. Sein Arbeitsumfeld zu organisieren und zu strukturieren, kann sehr weit reichen – auch so weit, dass man sein Umfeld erzieht oder der Telefondienst im Team geregelt werden muss. Nach Ablenkungen sind Zeit und Energie notwendig, um wieder ins Thema zu finden. Man spricht von der sogenannten Wiederanlaufzeit, die gemäss Studien mindestens 5 Minuten beträgt. Dabei spielt es keine Rolle, wie lange die Unterbrechung gedauert hat. Zudem verringert sich die Konzentration und Leistungsfähigkeit mit jeder Unterbrechung.


Wie erklären Sie Ihre erarbeiteten Methoden zur Verbesserung der Arbeitstechnik?

Häufig ist es die eigene Disziplin, die einen davon abhält, konzentriert zu arbeiten, denn Benachrichtigungen von E-Mails oder Chatnachrichten kann man ausschalten und Pendenzen gesammelt besprechen. Ich zeige immer verschiedene Methoden auf. Jede Person muss für sich entscheiden, welche Methode einem zusagt und welche im Unternehmen umsetzbar ist. Grundsätzlich gilt es, eine gute Tages- bzw. Wochenplanung zu haben und diese fortlaufend zu optimieren. Studien haben zudem aufgezeigt, dass bei regelmässigen Pausen die Informationen besser aufgenommen und verarbeitet werden können. Ich empfehle, auf das eigene Gefühl zu hören und Pausen dann einzulegen, wenn man sie nötig hat.


In Ihren Seminaren zeigen Sie auf, wie die E-Mail-Bearbeitung ohne Stress erledigt werden kann. Wie priorisieren Sie, wenn das Postfach überquillt? Jede Nachricht kann dringend und wichtig sein.

Ich empfehle das Bearbeiten nach der Fünf-Minuten-Regel. Was in dieser Zeit abgearbeitet werden kann, wird sofort erledigt. Alles andere wird in die To-do-Liste eingetragen und terminiert. Wie oft der Posteingang nach diesem System bearbeitet wird, ist vom Unternehmen abhängig. In der Regel wendet man das System morgens, mittags und abends an. Ein weiterer Hinweis zum Thema Informations-Management: Wichtiges ist selten dringend und Dringendes ist nicht immer wichtig. Wenn man Arbeiten korrekt kategorisiert, wie beispielsweise nach dem Eisenhower-Modell, lässt sich der Posteingang farblich kategorisieren. Zusätzlich können Regeln helfen, dass E-Mails direkt korrekt kategorisiert werden.


Haben Sie weitere hilfreiche Tipps für die Büroorganisation, was ist Ihnen sonst noch wichtig?

Mit meinem Office-Management-Unternehmen Shareau unterstützen wir Unternehmen dabei, ihre Prozesse weitgehendst zu automatisieren und zu digitalisieren. Ich empfehle immer, dass sich die Unternehmen auf ihre Kerngeschäfte konzentrieren und Verwaltungsarbeiten an Personen mit dem entsprechenden Know-how abgeben. In der Zeit, die sie für Verwaltungsgeschäfte aufwenden, hätten sie in der Regel mit ihrem Kernbusiness mehr erwirtschaftet als ein Outsourcing kostet. Man kann und muss nicht alles selbst machen. Handlungen sollten wirken, einerseits innerhalb des Unternehmens, aber auch gegen aussen. Dazu gehört die Kommunikation, aber zum Beispiel auch die Definition von Servicestandards. Wir gehen auf Themen ein, wie die Erreichbarkeit der Mitarbeitenden oder wie oft das Telefon klingelt, bevor jemand den Hörer abnimmt.


Und wie archivieren Sie: Wohl nicht ausgedruckt und im Ordner im Keller abgelegt?

Ich rate zu einer professionellen digitalen Datensicherung. Dafür gibt es eine Vielzahl an Möglichkeiten. Es lohnt sich, sich Unterstützung von Profis zu holen. Meiner Meinung nach ist eine professionelle digitale Ablage immer sicherer als eine auf Papier. Wir archivieren weitestgehend digital mit einer entsprechenden Lösung zur Datensicherung. Für die paar Ordner, die wir noch haben, arbeite ich gerne mit verschiedenen Ordnerfarben, damit auf einen Blick klar ist, was ich wo finde. Ansonsten haben wir im Unternehmen eine «Clean Desk Policy», das heisst, der Schreibtisch muss am Abend befreit sein von persönlichen Arbeitsmaterialien. Dafür hat jeder seine Kiste, in der Sachen bis zum nächsten Arbeitstag gelagert werden können. Wenn die Kiste plötzlich voll ist, heisst es wohl aufräumen.


Bei Ihnen dürfte alles perfekt strukturiert sein. Kommt es dennoch vor, dass Sie etwas nicht finden?

Ich bin sicher, dass man es mit Ordnung und Struktur übertreiben kann und es in Selbstverwaltung ausufern kann. Zu viel Struktur in einem Unternehmen kann die persönliche Arbeitsweise einschränken und wiederum zu Ineffizienz führen. Gerade in hektischen Zeiten kann es auch bei mir mal etwas chaotisch werden. Oft suche ich Dinge wie meinen Adapter, weil ich ihn in der Hitze des Gefechts einfach irgendwo hingelegt habe.

Remo Reist, haptik.ch
 

Kim Gunkel, Executive Master Business Administration FH:

Kim Gunkel leitet den MAS Digital Office Management FH an der Kalaidos Fachhochschule in Zürich. Nach ihrer Weiterbildung als Direktionsassistentin und dem Executive Master Business Administration in digitalem Management und Unternehmensführung (FH), hat sie mit ihrem Geschäftspartner das Office-Management-Unternehmen Shareau gegründet. Sie kombiniert wissenschaftlich erforschte Inhalte aus ihrer Masterarbeit zum Thema Assistenz 4.0 und Wissen aus ihrer jahrelangen Berufserfahrung. Den Kurs «Perfekte Organisation im modernen Büro» führt sie mehrfach pro Jahr mit der WEKA zusammen durch.

Weitere Infos:

praxisseminare.ch («Perfekte Organisation im modernen Büro»)

www.shareau.ch

 

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