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Nach der Neuorganisation: «Biella ist nach wie vor Biella»
Die Biella Group wurde Ende Mai 2019 vom französischen Familienunternehmen Exacompta (Familie Nusse) übernommen. Die Holdinggesellschaft wurde danach aufgelöst und in die Biella Schweiz AG integriert. Für die Geschäftsführung von Biella ist seitdem Stefan Perrig verantwortlich, der zuvor während sieben Jahren bei Biella als Leiter Supply Chain Management und Mitglied der Geschäftsleitung tätig war. Neuer Leiter Vertrieb und Marketing ist seit 1. August 2019 Alexandre Sola.
Viele Unternehmen haben in den letzten Monaten (vorübergehend) auf Homeoffice umgestellt. Hat sich diese Veränderung positiv
auf den Biella-Umsatz ausgewirkt? Alexandre Sola: «Nicht direkt. Obwohl sich zwar viele für das Homeoffice einrichten mussten, waren die stationären Läden wie Papeterien, Warenhäuser und Fachmärkte geschlossen. Der erste Schwung durch die Einrichtung des Arbeitsplatzes zuhause war rasch verpufft. Wir haben aber schnell reagiert und bieten neu Produkte wie Schutzscheiben für POS oder Schutzvisiere an. Da haben wir aktuell eine sehr hohe Nachfrage.»
Was hat sich seit der Übernahme durch Exacompta bei Biella verändert? «Wichtig ist: Biella ist nach wie vor Biella. Es gab organisatorische Änderungen mit stärkerem Fokus auf den Verkauf. Biella und der hiesige Markt profitieren von vielen neuen Produkten aus der Exacompta-Gruppe. Die Produkte, die schon vor der Übernahme in Brügg produziert wurden, werden weiterhin im Seeland hergestellt.»
Wie haben Ihre Kunden auf die Neuorganisation reagiert? «Die Kunden haben mehrheitlich neutral oder positiv reagiert. Sie profitieren jetzt von einem viel grösseren Angebot an Produkten und weiteren Leistungen.»
Hat die Neuorganisation zur Entlassung von Mitarbeitenden bei Biella geführt? «Jede Neuorganisation, gerade nach einer Übernahme in dieser Dimension, bringt Veränderung mit sich. Die Holdingstufe mit der Gruppenleitung wurde aufgelöst. Auch der digitale Bereich mit ‹Biella SimplyFind› (Services rund um physische und digitale Archive) passte nicht in die neue Strategie. In der Produktion blieben die Strukturen, wie sie waren. Gleichzeitig wurde der Verkauf verstärkt und aufgestockt.»
Sie sind seit einem Jahr Leiter Vertrieb und Marketing bei Biella. Welche Ziele haben Sie in dieser Zeitspanne erreicht? «Ich bin erst rund ein halbes Jahr verantwortlich. Zuerst stand die Übergabe der bisherigen Aufgabengebiete im Fokus. Neben dem Kennenlernen des engagierten Teams haben wir schon viel erreicht. Wir haben rund 500 neue Produkte, vorwiegend von Exacompta, in das Portfolio aufgenommen. Das ist eine riesige Arbeit für alle. Gleichzeitig haben wir die Zusammenarbeit mit unseren Kunden intensiviert und konnten die neuen Artikel bereits gut im Markt platzieren.»
Welches sind aktuell die grössten Herausforderungen und Chancen für Biella in der Distribution und im Marketing? «Im Moment gilt es sicher, die aktuelle Situation zu meistern. Es ist für alle noch nicht genau absehbar, wie sich der Markt entwickeln wird. Wir denken jedoch, dass wir gut aufgestellt sind. Die Chancen sehen wir einerseits in unserem vielfältigen Produktsortiment sowie den Serviceleistungen, die wir weiter ausbauen werden. Wir versuchen andererseits, aktiver am Markt und bei den Kunden präsent zu sein. Wir sind überzeugt, dass diese Aktivität auch wieder zurückkommt. Mit dem vergrösserten Sortiment steigen auch die Möglichkeiten am Markt für unsere Produkte. Gute Chancen rechnen wir uns zudem aus mit ganz spezifischen Artikeln, wie zum Beispiel dem Kassenrollen-Sortiment, und dem neuen Gesetz für phenolfreies Papier.»
Exacompta verfügt über 15 Standorte in Europa. Welche Biella-Produkte werden im Ausland stark nachgefragt? «Es ist richtig, dass die Exacompta-Clairefontaine-Gruppe international vor allem in Europa sehr breit aufgestellt ist. Die Standorte sind jedoch nicht alle auf den Vertrieb ausgerichtet, sondern teilweise nur auf die Produktion von bestimmten Produktkategorien. Biella Schweiz ist eine Besonderheit in der Gruppe, da sie erstens beides – Produktion und Vertrieb – an einem Ort zusammenfasst. Zweitens ist Biella der einzige Standort in der Gruppe mit dem Bereich ‹Creative›, also der Herstellung von individuellen Büro- und Werbeartikeln für Unternehmen. Dies ist eine grosse Besonderheit. Biella-Produkte werden fast ausschliesslich im Markt Schweiz verkauft. Im Ausland sind andere Marken der Gruppe präsent, in Deutschland zum Beispiel Falken und in Frankreich Exacompta oder Clairefontaine.»
Welche Exacompta-Produkte sind bei den Schweizer Kunden besonders beliebt? «Rund die Hälfte der 500 neuen Artikel sind Top-Leaderprodukte, die wir für den Schweizer Markt unter der Marke ‹Biella› führen. Besonders beliebt sind die Hartplastik-Schreibtischaccessoires. Diese sind eine Ergänzung zum bestehenden Biella-Sortiment. Aktuell sind gerade die Schutzprodukte von Exacompta sehr hoch im Kurs.»
Letzten Sommer hat Biella neue Dienstleistungen und Angebote angekündigt. Gibt es diesbezüglich Neuigkeiten? Sind auch neue Biella-Produkte in Planung? «Hierbei geht es um Dienstleistungen in Service, Distribution und Logistik. Wir arbeiten daran, uns flexibler aufzustellen und kundenspezifische Leistungen zu entwickeln. So können wir jetzt Dropshipping (Direktversand vom Grosslieferanten an den Endkunden), Crossdocking (Warenumschlagsart ohne Einlagerungsprozess) sowie individuelle Lager- und Lieferlösungen anbieten. Wir sind bereits mit ersten Kunden daran, dies umzusetzen. Hier wollen wir wachsen und für die Händler ein noch kompetenterer Anbieter werden. Davon profitiert natürlich auch der ‹Creative-Bereich› mit den individuellen Produktlösungen. Neue Biella-Produkte sind natürlich auch geplant. Wir arbeiten an Designs und saisonalen Trendsortimenten, unter anderem natürlich mit Ordnern und Mappen.»
Was ist im Bereich «Creative» geplant? «Dieser Bereich hat im Gesamten eine Sonderstellung, da er so einzigartig ist wie die kundenspezifischen
Produkte. Einerseits wollen wir weiter an Marktanteilen gewinnen. Damit wir das können, helfen uns auch die erwähnten neuen Dienstleistungen. Das ermöglicht, die Kunden länger an uns zu binden. So haben wir auch dieses Jahr zusätzliche Kunden-Onlineshops eröffnet. Von diesem Know how kann wiederum der gesamte Konzern profitieren.»
Welche Ziele hat Exacompta für Biella in den nächsten drei Jahren? Wird der Produktionsstandort Schweiz bestehen bleiben? «Wir wollen weiter aus dem Know-how und den Möglichkeiten aus der Gruppe profitieren. So werden wir sicher viele weitere Artikel für den Schweizer Markt lancieren. Der Produktions- und Logistikstandort in Brügg spielt dabei eine wichtige Rolle. Auch ist uns die Bedeutung der Swiss-made-Herstellung bewusst und wir wollen diese weiterhin fördern.».
In welche Bereiche wird investiert? «Biella wird auf die IT-Systeme von Exacompta umstellen. Mit dieser Synergie werden wir die Kunden optimaler, schneller und einfacher bedienen können, zum Beispiel mit einem ‹Online-Shop› für Händler, einfacheren Systemanbindungen, schnelleren Daten- und Informationsflüssen (für Produktdaten) und einer verbesserten Internetseite. Von dieser Investition werden schlussendlich auch die Konsumenten profitieren.»
Auf welche Projekte freuen Sie sich im weiteren Verlauf dieses Jahres? «Ich freue mich auf die weitere und vertiefte Zusammenarbeit im Team und mit den Kunden. Wie erwähnt, haben wir unsere Verkaufscrew ausgebaut. So werden ab sofort drei neue Aussendienstmitarbeiter den Fachhandel betreuen. Auch im Key-Account-Management sind wir verstärkt unterwegs. Hier gilt es jetzt zusammenzuwachsen.»
Biella wird dieses Jahr 120 Jahre alt. Sind spezielle Aktivitäten geplant? «Ja. Wir werden im Herbst eine limitierte Ordnerkollektion mit verschiedenen Sujets lancieren. Zudem ist für den Handel und den POS eine Promotion geplant. Lassen Sie sich überraschen!»
Wir können uns also auf nächste 120 Jahre mit der Marke Biella freuen? (lacht) «Was in 120 Jahren ist, weiss niemand; das sehen wir auch an der aktuellen Situation. Aber ja, Biella ist die bekannteste Marke für Büromaterial in der Schweiz. Diese Position wollen wir weiter behalten und ausbauen. Darum lancieren wir auch ganz bewusst Leader-Produkte unter der Marke Biella gezielt nur für den Markt Schweiz. Und wir werden uns laufend weiterentwickeln, sodass die traditionelle Marke ‹Biella› noch lange existiert.»