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Der Beschaffungsalltag ist noch nicht so digital, wie er sein könnte
Der Einkauf weiss, was er braucht, um noch erfolgreicher handeln zu können, aber er bringt derzeit in so manchem deutschen Betrieb noch kein befriedigendes Gesamtpaket zustande. Zu den Hinderungsgründen gehören uneinheitliche IT-Werkzeuge im Unternehmen, die mangelnde Unterstützung der IT sowie viele zögerliche Lieferanten. Das hat eine gemeinsame Umfrage des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME) und der Netfira GmbH ergeben. Der BME ist der Fachverband für Einkäufer, Supply Chain Manager und Logistiker in Deutschland und Kontinentaleuropa. Thema der Erhebung war die «Professionalisierung des operativen Einkaufs: Stimmungsbild und zukünftiger Bedarf». Die Online-Befragung lief vom 4. Dezember 2018 bis 9. Januar 2019. Die Auswertung basiert auf 324 Online-Fragebögen.
Einkauf als Treiber der Digitalisierung
«Die jüngsten Umfrage-Ergebnisse bestätigen einen Trend, den wir bereits seit einigen Jahren beobachten. Die Bedeutung des Einsatzes elektronischer Lösungen zur Optimierung der Beschaffungsaktivitäten wird noch nicht in jedem Unternehmen erkannt. Das gilt insbesondere für Klein- und Mittelbetriebe», betont BME Hauptgeschäftsführer Dr. Silvius Grobosch. Mit der fortschreitenden Digitalisierung werde dieses Thema noch wichtiger. Hier sei weiterhin viel Aufklärungsarbeit zu leisten, wie die aktuelle Online-Erhebung beweist. Damit die deutsche Wirtschaft international wettbewerbsfähig bleibe, müsse sie die Vorteile der neuen digitalen Technologien stärker für sich nutzen. Silvius Grobosch: «Hier ist vor allem der Einkäufer gefragt. Denn er ist Treiber dieses Prozesses. Schliesslich geht es um nichts Geringeres als um die digitale Transformation ganzer Wertschöpfungs- und Lieferketten.»
«Grundvoraussetzung für mehr Effizienz ist die Eliminierung manueller Tätigkeiten. Stimmen die Werkzeuge nicht, bleibt der Einkauf bei Automatisierung und Digitalisierung auf halber Strecke stehen», sagt Netfira-Geschäftsführer Reinald Schneller. Traditionelle Lösungsansätze, wie beispielsweise EDI und OCR, seien heute nicht mehr zeitgemäss. EDI wird für den elektronischen Datenaustausch eingesetzt (engl. Electronic Data Interchange). Bei OCR steht die optische Zeichenerkennung im Zentrum (engl. Optical Character Recognition). Dank OCR-Software ist es möglich, bildhafte Informationen in rechnerinterpretierbare Zeichen umzuwandeln.
Der Einkauf brauche gute Argumente für Einsatz, Nutzen und rasche Amortisation handhabbarer Softwarewerkzeuge im operativen Einkauf, um Unternehmensleitung, IT und auch Lieferanten vom Mehrwert passender Bausteine zu überzeugen. Reinald Schneller: «Ziel muss sein, einen reibungslosen Austausch von Daten und Dokumenten mit Lieferanten unabhängig von einzelnen Prozessen herbeizuführen. Das bedingt eine unkomplizierte Anbindung, die Lieferanten technisch nicht überfordert und keine Kosten verursacht.» Künstliche Intelligenz mache es mittlerweile möglich, alle Belegarten – darüber hinaus Prognosen, Zertifikate, Lieferantenselbstauskünfte oder Aussenhandelsdokumente – bidirektional reibungslos auszutauschen – Forderungen bzw. Wünsche, die sich auch aus der Umfrage ergeben hätten.
Die Umfrage zeigt zudem auf, dass sich Einkauf, Lieferant und Lösungsanbieter in ihrem speziellen Beziehungsgeflecht enger verzahnen und über Leistungsmerkmale sowie konkreten Nutzen austauschen müssen.
Ausgewählte Kernaussagen
- Der Einkauf sieht sich vielfach als Innovationstreiber im Unternehmen – diese Einschätzung korrespondiert nicht mit der Realität in den Unternehmen.
- Über die Hälfte der Befragten kämpft noch immer mit Papierbergen und räumt ein, weit weg davon zu sein, was technisch möglich ist.
- Drei Viertel haben E-Tools zur «Einkaufsautomatisierung» im Einsatz. Aber: Bei der Definition herrscht ein uneinheitliches Verständnis.
- Am zeitintensivsten ist für die Befragten manuelles Prüfen, etwa von Posten und Preisen auf den Auftragsbestätigungen. Darunter leiden vor allem Bereiche wie Beziehungspflege und Lieferantenbewertung. Grosse Bedeutung wird darum unter anderen dem vollautomatisierten Daten- und Dokumentenaustausch in beide Richtungen zugeschrieben – ohne Nachprüfung.
- Als grösste Herausforderung wird die Situation auf der «anderen Seite» gesehen. Angeführt wird, dass Lieferanten oft zu klein oder technisch nicht in der Lage sind, sich an verschiedene Kundensysteme anzudocken.
- Rund 30 Prozent der Einkäufer haben mit elektronischer Lieferantenanbindung noch gar nicht begonnen.
- Beklagt wird auch die unzureichende Motivation der IT, sich neuen Lösungen zuzuwenden.
- Die Anbindung sollte auch für die Lieferanten möglichst aufwandsfrei und weitgehend kostenneutral erfolgen – als Grundstein für vollautomatischen Austausch von Daten und Dokumenten.
- Die Einkäufer meinen, durch eine optimierte Zusammenarbeit mit Lieferanten ihre eigenen Ziele schneller erreichen zu können.