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Grüner Einkauf: mehr als nur Jute statt Plastik?
Was bereits vor mehr als 20 Jahren mit den Begriffen Green Procurement oder Sustainable Procurement als Trend in der Fachliteratur erkennbar wurde, ist heute aktueller denn je. Vor allem, weil Unternehmen zunehmend durch ihre Stakeholder unter Druck gesetzt werden, den eigenen Einkauf nachhaltiger auszurichten.
Daher stehen viele Einkaufsverantwortliche vor zwei zentralen Fragen. Erstens: Wie soll die eigene Einkaufsabteilung einen nachhaltigen Einkauf definieren, und welche Voraussetzungen müssen für einen nachhaltigen Einkauf geschaffen werden? Zweitens: Welche Warengruppen und Einsparhebel eignen sich für einen nachhaltigen Einkauf, um auch weiterhin den Unternehmenserfolg zu unterstützen? Der Aufbau eines nachhaltigen Einkaufs kann in zwei Phasen erfolgen. Zuerst sollten alle offenen Fragen und wesentlichen Voraussetzungen für einen nachhaltigen Einkauf geklärt werden, um eine solide Entscheidungsgrundlage zu schaffen. In einer zweiten Phase folgen die Implementierung eines nachhaltigen Einkaufs und die Realisierung von Einsparungen durch die Priorisierung geeigneter Warengruppen und durch die Auswahl optimaler Einsparhebel.
Drei Dimensionen der Nachhaltigkeit
Grundsätzlich wird zwischen drei Dimensionen der Nachhaltigkeit unterschieden: der ökologischen Dimension, der sozialen und der ökonomischen Dimension.
Die ökologische Dimension orientiert sich am ursprünglichen Nachhaltigkeitsgedanken und bezieht sich in erster Linie auf einen verantwortungsbewussten Umgang mit der Natur. Dies reicht vom Einsatz regenerativer Energien über umweltschonende Materialien bis hin zu strikten Reiserichtlinien. Die soziale Dimension rückt die Verantwortung gegenüber den Menschen in den Mittelpunkt. Besonders Unternehmen, die in Niedriglohnländern produzieren lassen, tragen eine soziale Verantwortung für die Angestellten ihrer Lieferanten. Angemessene Lohnzahlungen, geregelte Arbeits- und Pausenzeiten, Verbot von Kinderarbeit sind nur einige Punkte, die von einem Einkäufer zu überwachen sind. Daher sollte sich der strategische Einkäufer zusammen mit seinen Fachbereichspartnern bereits bei der Lieferantenauswahl mithilfe eines Lieferantenaudits auch ein Bild von den Arbeitsbedingungen vor Ort machen. Die ökonomische Dimension definiert ein verantwortungsbewusstes Handeln in der Partnerschaft mit Lieferanten und Dienstleistern. Ein Einkäufer hat sich immer seiner wirtschaftlichen Macht und vor allem seiner Verantwortung gegenüber seinen Lieferanten bewusst zu sein.
In der Regel müssen alle drei Nachhaltigkeitsdimensionen bei der Bewertung durch den Einkauf gleichzeitig und gleichwertig berücksichtigt werden: Die Verlagerung der Produktion zur Reduzierung des CO2-Ausstosses berücksichtigt zwar die ökologische Dimension, jedoch kann dies einen Zulieferer aus Fernost in wirtschaftliche Bedrängnis bringen und missachtet in erster Linie die ökonomische Dimension.
Verankerung als Einkaufsziel
Die Ziele des Einkaufs orientieren sich in der Regel an der übergeordneten Unternehmensstrategie. Diese sollte Nachhaltigkeit als Schwerpunkt der Corporate Social Responsibility (CSR) bereits in den Unternehmenszielen verankern. Wichtig zu beachten ist, dass eine erfolgreiche Einkaufsabteilung mehrere Ziele gleichzeitig verfolgen kann: Nachhaltigkeit steht nicht im Widerspruch zu Kostensenkung oder Risikominimierung. Oft können nachhaltige Produkte aufgrund einer geringeren Wertschöpfungstiefe günstiger produziert werden (zum Beispiel: Einsatz einfacher Kartonagen aus brauner Wellpappe zum Versand an den Endkunden). Gleichzeitig kann die Veränderung des Lieferantenkreises vom globalen Einkauf auf ausgewählte lokale Lieferquellen nicht nur die Lieferzeit, sondern auch das Lieferausfallrisiko sowie die Logistikkosten deutlich reduzieren. Die Voraussetzung für eine erfolgreiche Verankerung des neuen Einkaufsziels ist eine konsequente Kommunikation mit der vollen Rückendeckung des Topmanagements. Zum erfolgreichen Aufbau eines nachhaltigen Einkaufs müssen die Aufgabenfelder des Einkaufs, wie beispielsweise strategische Einkaufsprozesse, Lieferanten- und Risikomanagement oder das Einkaufscontrolling, konsequent auf das neue Einkaufsziel ausgerichtet und die Einkaufsmitarbeiter entsprechend geschult werden.
Welche Änderungen ergeben sich aus dem Zielwechsel des Einkaufs? Wie verändern sich die Einkaufsrichtlinien und das Einkaufshandbuch? Welche Lieferantenzertifizierungen gibt es? Welche Kennzahlen werden zur Bewertung der Nachhaltigkeit festgelegt? Dies sind Fragen, auf deren Beantwortung ein Unternehmen seine Einkaufsmitarbeiter vorbereiten muss.
Optimale Warengruppen auswählen
In der Mode- und der Möbelbranche ist der Einsatz nachhaltiger Materialien in der Produktion von Handelsware längst en vogue. Dabei haben insbesondere Marketing- und Vertriebsabteilungen oftmals sehr konkrete Vorstellungen, wie ein nachhaltiges Produkt im Sinne der Unternehmensstrategie definiert wird. Wirbt das Marketing eines Versandhändlers mit der CO2-neutralen Zustellung eines 100% recyclingfähigen Pakets, so ist es die Aufgabe des Einkaufs, dies entsprechend bei Gesprächen mit dem Paketdienstleister zu verhandeln und die Konditionen für diese Kartonage zu optimieren.
Die geeigneten Hebel ansetzen
Die bereits bewährte Hebelsystematik der Preis-/Prozesskosten und Mengenhebel kann auch im nachhaltigen Einkauf angewendet werden. Auch hier gilt: Das Optimum
aus hohen Einsparungen und einem hohen Nachhaltigkeitsgrad wird immer durch die geschickte Kombination verschiedener Hebel realisiert: Die Spezifikationsoptimierung und der Einsatz nachhaltiger Materialien führt zu Einsparungen, die mithilfe von lokalen Lieferquellen durch die Reduzierung von Transport-/Logistikkosten weiter gesteigert werden können.
Fazit
So wie Rom nicht an einem Tag erbaut wurde, so braucht auch die erfolgreiche Implementierung eines nachhaltigen Einkaufs in allen genannten Dimensionen Zeit. Dies wird deutlich, wenn man betrachtet, in wie vielen Unternehmen Nachhaltigkeit im Einkauf bis heute lediglich eine untergeordnete Rolle spielt. Dabei können sich Unternehmen in vielen Fällen durch ein gesteigertes Nachhaltigkeitsbewusstsein im Wettbewerb erfolgreich differenzieren. Da nachhaltige Produkte nicht immer teurer sein müssen, können nicht nur Kosten gespart, sondern gleichzeitig durch ein geschicktes Marketing auch die Umsätze gesteigert werden.
Schlüsselfaktoren für den Aufbau eines nachhaltigen Einkaufs sind die enge Einbindung des Topmanagements, die konsequente Ausrichtung aller Einkaufsfunktionen auf das Einkaufsziel Nachhaltigkeit, die Anwendung geeigneter Einsparhebel und eine klare Kommunikation insbesondere früherer Einkaufserfolge. So wird der Einkauf nachhaltig – und setzt gleichzeitig Einsparungen um.
Gut zu wissen
Dieser Bericht ist letzten Herbst im PROCURE SWISS MAGAZIN erschienen, der Fachzeitschrift des nationalen Verbandes für Einkauf und Supply Management procure.ch. Seit Anfang 2018 arbeitet haptik.ch mit procure.ch zusammen, um vermehrt auch Einkäuferinnen und Einkäufer anzusprechen.
Der Autor Florian Holzmann ist geschäftsführender Gesellschafter der Höveler Holzmann Consulting GmbH in Düsseldorf. Die Unternehmensberatung ist spezialisiert auf Supply Chain Management und Einkaufsoptimierung.