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Wie ein paar Striche in 50 Jahren die Welt erobert haben
«Es gibt derzeit keinen Endzeitpunkt für die Nutzung von Barcodes», sagte GS1 Switzerland, die Organisation, die Strichcodes generiert und vergibt, auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.
Pflicht ist der Strichcode allerdings nur noch drei Jahre lang. Bis Ende 2027 soll der Handel neben Strichcodes zusätzlich auch sogenannte 2D-Codes, zu denen etwa QR-Codes gehören, verarbeiten können. In diesen haben deutlich mehr Informationen Platz: Während die Strichcodes auf Verpackungen eine 13-stellige Nummer verschlüsseln, können QR-Codes rund 4000 Buchstaben oder über 7000 Zahlen darstellen. «Die Konsumenten sind heute kritischer, sie wollen mehr Informationen zu einem Produkt, zu Allergenen, Daten zu Nachhaltigkeit und Verpackungen», sagt Expertin Sandra Hohenecker von der Barcode-Organisation GS1. Mit der Artikelnummer liesse sich diese Vielzahl an Daten nicht abbilden, mit QR-Codes sei dies problemlos möglich und für Kunden transparent nachverfolgbar.
Doch auch wenn Verpackungen mit solchen 2D-Codes nach 2027 nicht mehr zusätzlich mit einem Strichcode versehen werden müssen, werde der Strichcode nicht verschwinden, zeigte sich eine Sprecherin der Strichcode-Organisation überzeugt.
Paket, Lebensmittel und Blutproben
Ein Grund dafür dürfte sein, dass Strichcodes allgegenwärtig sind. Sie sind auf Produkten in Läden, auf Versandetiketten von Paketen, auf Patientenarmbändern in Spitälern und auf Blutproben im Labor. Die BBC bezeichnete den Strichcode vor einigen Jahren als «eines der 50 wichtigsten Dinge, die unsere Weltwirtschaft verändert haben».
Damit haben die Codes einen weiten Weg hinter sich, seit im Jahr 1974 an einer Kasse im US-Bundesstaat Ohio erstmals ein Wrigley’s-Kaugummi damit eingescannt wurde. Das zeitaufwendige Abtippen des Preises wurde damit durch einen einfachen Scan abgelöst. Warteschlangen in Supermärkten wurden kürzer, die Verwaltung von Lagerbeständen einfacher und genauer.
Zehn Jahre später, 1984, wurden laut GS1 auch in der Schweiz erste Scannerkassen eingesetzt. Heute werden die Codes über 10 Milliarden Mal am Tag gescannt, wie GS1 schrieb. Das entspricht rund 116'000 Scans pro Sekunde.
Patent viel früher
Die Erfindung des Strichcodes reicht noch deutlich weiter zurück als seine Markteinführung. Das Patent für den Strichcode wurde 1952 an die beiden US-Amerikaner Norman Joseph Woodland und Bernard Silver ausgestellt. Sie hatten als Studenten den Wunsch eines Supermarktchefs aufgeschnappt, beim Kassieren automatisch festzuhalten, welche Waren verkauft werden. Den Lichtsender, der zwischen den hellen und dunklen Streifen unterscheiden und die Länge der Balken messen kann, gab es damals noch nicht.
Das Prinzip hinter den Strichcodes ist einfach: Dicke und dünne Striche stehen für verschiedenen Zahlen, ähnlich wie kurze und lange Töne im Morse-Code für verschiedene Buchstaben stehen. Liest man die Striche mit einem speziellen Scanner ein, erhält man eine Nummer. Die Strichcodes bestehen aus einem Ländercode, einer Firmenbezeichnung und einer Artikelnummer. Die letzte Ziffer im Code ist eine Prüfnummer.
Der Scanner übermittelt diese Zeichenfolge an ein IT-System, das die verschlüsselten Informationen interpretieren und bereitstellen kann.
Patent vor Siegeszug verkauft
Das Patent für die Codes verkauften Woodland und Silver im Jahr 1962 für gerade einmal 15'000 US-Dollar an ein Elektrounternehmen. Silver erlebte den Siegeszug des Strichcodes nicht mehr. Er starb 1963 bei einem Verkehrsunfall.
Woodland war als Mitarbeiter des Unternehmens IBM an der Weiterentwicklung des automatischen Identifikationssystems von Waren beteiligt. Er starb im Jahr 2012 im Alter von 91 Jahren.
Auch Erkennung über Funk möglich Neben 2D-Codes steht auch eine zweite Technologie in den Startlöchern, um den Barcode abzulösen - die RFID-Tags. Stephan Rüschen, Professor für Lebensmittelhandel an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, sieht gute Chancen für diese Technik. Das Verfahren zur automatischen Identifizierung von Objekten über Funk wird bereits von Textilhändlern wie Zara, Uniqlo und Decathlon verwendet. Die Artikel müssen nicht einzeln gescannt werden, sondern können gleichzeitig erfasst werden - wenn der Einkaufswagen durch ein Gate geschoben wird oder die Produkte in einer Schale platziert werden. Der Tag kann jeden einzelnen Artikel eindeutig identifizieren. Das heisst: 1000 Nutella-Gläser habe keine gemeinsame Nummer, sondern 1000 verschiedene. Der Nachteil: Die einzelne Kennzeichnung ist aufwendig, ausserdem sind RFID-Tags teurer. Deshalb eigneten sie sich eher für höherpreisige Produkten im Bekleidungsbereich als bei einem Joghurtbecher, sagt Rüschen. Er kann sich vorstellen, dass sich RFID im Food-Bereich in den nächsten 5 bis 10 Jahren endgültig durchsetzt. Sandra Hohenecker von GS1 erwartet, dass sich mehrere Codes etablieren können, je nach Einsatzort. Wann der Barcode endgültig verdrängt sein wird, vermag sie nicht vorherzusagen. |