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Als Kind mit der «falschen» Hand schreiben lernen kann zu gravierenden Problemen führen
Jeder Mensch ist von Natur aus entweder Links- oder Rechtshänder ist; dabei gibt es unterschiedlich starke Ausprägungen. Bei starker Ausprägung ist meist schon früh, ab etwa zwei Jahren, zu sehen, ob ein Kind die linke oder die rechte Hand bevorzugt. Für die anderen gilt: bis zum vierten Lebensjahr ist oft keine Präferenz zu erkennen - sie nutzen abwechselnd die eine oder die andere Hand, statt immer dieselbe Hand für bestimmte Tätigkeiten zu bevorzugen. Problematisch wird es, wenn im Vorschulalter nicht klar ist, ob ein Kind zu links oder rechts tendiert, denn die dominante Hand ist die, mit der ein Kind am besten schreiben lernt. Das schreibt der Deutsche Verband Ergotherapie (DVE) in einer Mitteilung.
Auswirkungen des «falschen» Handgebrauchs: sogenannte Umschulung vermeiden
Noch heute sei der Alltag vorwiegend auf Rechtshänder ausgelegt, so der DVE. «Im ungünstigsten Fall ahmen Linkshänderkinder dieses Verhalten von Eltern, Geschwisterkindern oder dem Umfeld nach», sagt die Ergotherapeutin Elke Kraus. Selbst heute gebe es gelegentlich noch die Meinung, dass es besser sei, mit der rechten Hand zu schreiben. So könne es vorkommen, dass ein Kind innerhalb der Familie, von Erzieher:innen oder Pädagog:innen wiederholt angeleitet oder aufgefordert werde, mit rechts zu agieren. Vor allem linkshändige Kinder, die eine leicht ausgeprägte Händigkeit haben und sowieso schon viel mit der rechten Hand machen, werden laut der Mitteilung oft umgeschult und lernen das Schreiben mit rechts.
«Diese Kinder haben als Konsequenz häufig mit Komplikationen wie Lern- oder Konzentrationsschwierigkeiten, Kopfschmerzen, Übelkeit, Bettnässen oder grob- und vor allem feinmotorischen Problemen beim Schreiben zu kämpfen», warnt der DVE. Auch könne es zu emotionalen Problemen kommen wie erhöhter Aggression, einer niedrigen Frustrationstoleranz oder auch dem Gefühl, nicht richtig denken zu können. Dasselbe trifft auf rechtshändige Kinder zu, die mit links schreiben (sollen). Ein Missempfinden bleibt meist ein Leben lang bestehen. «Von einer gezielten Umschulung ist unbedingt abzuraten», so die Expertin.
Bei wechselndem Handgebraucheines Kindes: Händigkeit vor der Einschulung klären lassen
Zeigt ein Kind nach dem vierten Lebensjahr ein Wechselverhalten beim Malen und Schreiben, empfiehlt es sich laut DVE, dass Eltern dies baldmöglichst abklären lassen und im ersten Schritt ihre:n Kinderärzt:in aufsuchen. Diese könnten dann eine Verordung für eine ergotherapeutische Abklärung und Intervention erteilen. Die Ergotherapeutin Elke Kraus hat dazu das Assessment «Händigkeitsprofil» entwickelt - ein wissenschaftlich fundiertes Tool, mit dem sich unter anderem ermitteln lässt, welches die dominante Hand bei einem Kind mit wechselndem Handgebrauch ist und mit welcher Hand es am besten schreiben lernt.
Rückschulung bis ins Erwachsenenalter möglich
Die Folgen einer Umschulung - in aller Regel passiert dies bei einer angeborenen Linkshändigkeit auf Schreiben mit rechts - können, müssen aber nicht belastend sein. «Wer allerdings Schwierigkeiten hat und einen entsprechenden Leidensdruck verspürt, sollte über eine Rückschulung nachdenken; dabei ist es unwesentlich, wie alt jemand ist», rät die Ergotherapeutin Elke Kraus. Bei Kindern kann dies optimalerweise in den Sommerferien stattfinden; Erwachsene haben eigene Vorstellungen und Möglichkeiten. Wesentlich ist in einem solchen Fall, dass auch das Umfeld mitspielt und sich einbinden lässt. Sind das Kind und seine Eltern motiviert, eine Rückschulung zu beginnen, ist auch die Kooperationsbereitschaft von Erzieher:innen oder Lehrer:innen gefordert. «Ohne die Unterstützung und auch Rücksichtnahme der beteiligten Lehrer:innen ist der Erfolg einer Rückschulung nicht gesichert. Eine entsprechende ergotherapeutische Beratung und Informationsaustausch sind massgeblich», hält Kraus fest. «Es ist kein leichtes Unterfangen, lohnt sich aber in den meisten Fällen.»